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Der Einheitskanzler ruht – aber nicht in Frieden

Helmut Kohl ist seit vier Monaten tot. Doch die Unruhe um seine letzte Ruhestätte hält an. Beteiligt ist nicht nur die Witwe, sondern auch die Kirche. Ein Besuch am Grab eines schwierigen Toten.

Christoph Wöhrle 11 min
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Weil man Vandalismus fürchtet, wird Kohls Grab an der Friedenskirche in Speyer rund um die Uhr überwacht. (Bild: Bernd Hartung)

Weil man Vandalismus fürchtet, wird Kohls Grab an der Friedenskirche in Speyer rund um die Uhr überwacht. (Bild: Bernd Hartung)

Zur Mittagszeit kommt das Klischee in Pärchengestalt. «Blühende Landschaften hiess es», sagt Peter Schröder, 61, als er mit seiner Frau auf das Grab von Helmut Kohl in Speyer schaut. Der Leipziger erinnert damit an einen Kohl-Satz, der längst zum geflügelten Wort über den Osten Deutschlands geworden ist, sei es wohlwollend als Synonym für dessen Erfolgsgeschichten oder auch zynisch für dessen Misere.

Jetzt raunt Herr Schröder wie ein Souffleur: «Kanzler der Einheit. Ohne ihn stünde ich heute nicht hier.» Es sei doch wirklich vieles gut geworden bei ihnen im Osten, stimmt seine Partnerin Gisela Tank, 59, mit ein. Beide schauen auf das klobige Holzkreuz. Die Ehrfurcht trieft aus dem Moment.

Oder einfach nur der Respekt für die Lebensleistung eines zu Lebzeiten wenig Respektierten? Viele, die ­Helmut Kohl, der 87 Jahre alt wurde, persönlich kannten, betonen, dass er einen Raum einnahm, wenn er ihn betrat. Dass er mit einer Präsenz, die seiner Körperfülle in nichts nachstand, die anderen Anwesenden erdrücken konnte. Er, der schwere Kanzler, gegen alle, die ihm trotzen wollten – waren es nun Parteikollegen oder der Eiserne Vorhang. Längst ­vergangene Kämpfe. Jetzt ist Helmut Kohl seit vier Monaten tot, aber die Präsenz ist geblieben.

Zumindest hier in Speyer, auf dem Friedhof hinter der Friedenskirche St.Bernhard, an seinem Grab. Allein Kohls Sarg, Modell «Eiche rustikal mit Buchdeckel», war überdimensional: Er mass 219 mal 92 statt – wie üblich – 200 mal 70 Zentimeter.

Angst vor Grabschändern

Dass Kohl in Speyer bestattet wurde und nicht im Familiengrab in Ludwigshafen-Friesenheim neben seiner ersten Frau Hannelore und seinen Eltern, war der ausdrückliche Wunsch von Maike Kohl-Richter, seiner Witwe. Die beiden Söhne Kohls wurden nicht gefragt. Ausserdem liess sie das Grab mit Zaun, Kamera und – anfangs – einem Wachdienst sichern, sie hatte Angst vor Grabschändern.

Wer die Umstände um den toten Kohl verstehen will, der kommt an seinem Wirken zu Lebzeiten nicht vorbei. Kohl verstehen, das heisst seine Entscheidungen, Kämpfe und Widersprüche verstehen.

Kohl hat im grössten Land Europas länger regiert als alle Kanzler – vier Amtszeiten, also 16 Jahre. Vielleicht hat auch niemand Europa derart sein persönliches Siegel aufgedrückt. Kohls Biograf Hans-Peter Schwarz ­formuliert: «Er hat in der Geschichtslandschaft breitere Spuren hinterlassen als alle anderen Bundeskanzler.»

Das Herz eines Kämpfers brachte Kohl mit, stammte er doch aus der Arbeiterstadt Ludwigshafen, wo er in einer katholisch-konservativen Familie aufwuchs. Der Tod seines Bruders bei einem Fliegerangriff im Zweiten Weltkrieg und die Hitlerjugend prägten Kohls Jugend.


(Bild: Daniel Biskup / laif)

(Bild: Daniel Biskup / laif)

Helmut Josef Michael Kohl wurde am 3. April 1930 in Ludwigshafen am Rhein als jüngstes von drei Kindern geboren. Sein Vater war Finanzbeamter, die Mutter Hausfrau. Nach dem Krieg trat er in die CDU und in die Junge Union ein. Er studierte Geschichte, Rechts- und Staatswissenschaften. Seine Frau Hannelore lernte er bei einem Tanz kennen, als sie 15 Jahre alt war. Das Paar heiratete 1960 und bekam die Söhne Walter und Peter.

Kohl wurde zuerst Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, CDU-Bundesvorsitzender und 1982 Bundeskanzler; er blieb 16 Jahre im Amt. 2001 nahm sich Hannelore Kohl, die an einer Lichtallergie litt, das Leben. Seine zweite Ehefrau Maike Kohl-Richter heiratete Kohl 2008. Nach einem Sturz von der Kellertreppe erlitt er ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und sass fortan im Rollstuhl. Am 16. Juni 2017 verstarb Kohl in seinem Haus in Oggersheim.


Nach dem Krieg machte er Abitur, studierte Geschichte und Staatswissenschaften, promovierte schliesslich in Heidelberg. In seiner Doktorarbeit schrieb Kohl über den typischen Pfälzer: «Neben einem ausgeprägten Sinn für Toleranz besteht jedoch häufig ein allzu starkes und unangenehmes Selbstgefühl.» Da hat er sich wohl selbst beschrieben.

Bereits 1946 trat Kohl in die CDU ein. Er ging die Ochsentour durch die Parteireihen, immer mit dem Blick, und wenn es sein musste, mit dem Tritt nach oben, wurde Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und CDU-Bundesvorsitzender. 1976 unterlag Kohl als Kanzlerkandidat bei der Bundestagswahl knapp gegen den SPD-Kanzler Helmut Schmidt.

Aber Kohls Machthunger sollte bekanntlich schliesslich gestillt werden: 1982 gab es in Schmidts sozialliberaler Koalition aus SPD und FDP Streit um den Kurs. Kohl stach in ­dieses Vakuum und wurde wunschgemäss Bundeskanzler.

Helmut und Hannelore Kohl und ihre Söhne im Juli 1974 am Wolfgangsee in Österreich. (Bild: Heinz Wiesele / Dpa / Picture Alliance)

Helmut und Hannelore Kohl und ihre Söhne im Juli 1974 am Wolfgangsee in Österreich. (Bild: Heinz Wiesele / Dpa / Picture Alliance)

Zwei Jahre später hielt Kohl in ­Verdun die Hand des französischen Staatspräsidenten François Mitterrand im Gedenken an die Toten der Weltkriege. Mehrere Minuten liessen die beiden Regierungschefs einander nicht los. Es war eine Foto, die sich ins deutsche Gewissen einbrannte wie zuvor nur Willy Brandts Kniefall in Warschau.

Das sieht auch Peter Schröder so, der ehrfürchtige Leipziger vor Kohls Grab: «Es gibt doch kaum einen Politiker, der so viel erreicht hat!» Er und seine Partnerin haben extra einen Tag ihrer Ferien reserviert, um auf Kohls Spuren zu wandeln. Das seien sie ihm schuldig, meint das Paar. In Ludwigshafen-Oggersheim waren sie schon, haben sich den monströsen Bungalow angesehen, in dem Kohl wohnte und der von seinen Sicherheitsleuten zur Festung aufgerüstet wurde. Noch so ein Symbol für die brachiale Wucht des Kanzlers.

Und jetzt eben das Grab des Grosspolitikers in Speyer. Den hüfthohen Zaun, die Sicherheitsleute und die installierte Kamera finden die Leipziger in Ordnung. «Es gibt viele Verrückte. So ein Grab kann schnell angegriffen werden», sagt Gisela Tank. Dann schlendern die beiden zurück zu ihrem Auto. Ihre Kohl-Tour hat hier beim toten Kanzler ihr natürliches Ende genommen.

«Das zeugt vom Gefühl der Witwe, diesen Mann einfach für sich allein haben zu wollen.»

Die letzte Ruhe bleibt Kohl bis heute aber verwehrt, wie die Umstände dieser Grabgestaltung und der Streit zwischen der Witwe Kohl-Richter und Kohls Söhnen Walter und Peter zeigen. Die Söhne, Peter Kohl lebt in der Schweiz, durften nicht einmal nach Kohls Tod in den besagten Bungalow, wo sie aufgewachsen waren, um sich vom toten Vater zu verabschieden.

In gewisser Weise ist der Streit um den Toten aber auch ein Nachhall eines sehr streitbaren Menschen. Kohl war nie konfliktscheu, um es euphemistisch auszudrücken. Schon zu seinen Lebzeiten teilte Kohl seine Mitmenschen in Freund und Feind ein. Zwischen Helmut Schmidt und Kohl etwa herrschte Eiszeit. Hier Kohl, der bauchgesteuerte Instinktpolitiker – dort Schmidt, der Technokrat des Geistes.

Doch die meisten Gegner und Feinde hatte Kohl im eigenen Lager. Keiner konnte so von oben herab streiten – und so unverzeihlich hassen. Mit dem CSU-Paten Franz-Josef Strauss verband Kohl eine intime Rivalität, die in Strauss’ erfolgloser Kanzlerkandidatur 1980 gipfelte.

Wille zum Hass

In ihrer Gänze zeigte sich Kohls Wille zum Hass aber beim innerparteilichen Putschversuch im Sommer 1989. Eine Gruppe von Parteifreunden um Heiner Geissler, Lothar Späth und Rita Süssmuth wollte den Kanzler in Rente schicken. Dass dies misslang, machte Kohl noch mächtiger.

Wie feindselig Kohl Konflikte ausfocht, belegen auch seine Zerwürfnisse mit Richard von Weizsäcker (wegen der schnellen deutschen ­Einheit), Kurt Biedenkopf (wegen ­dessen Aufmüpfigkeit), Norbert Blüm und Wolfgang Schäuble (wegen der Parteispendenaffäre). Auch Angela Merkel wurde 1999 wegen der Spendenaffäre zur Gegnerin, nachdem sie lange Jahre als «Kohls Mädchen» gegolten hatte.

Es heisst, Kohl habe die Briefe derjeniger, die sich noch zu seinen Lebzeiten mit ihm aussöhnen wollten, nicht einmal beantwortet. Vielleicht ist es also nur konsequent, dass die Kohl-Witwe das Wir-gegen-die heute so perfekt inszeniert.

«Ich finde dieses Abschotten nicht schön. Das zeugt vom Gefühl der Witwe, diesen Mann einfach für sich allein haben zu wollen und niemand anderen mehr ranzulassen», sagt Reinhard Mathweis, 52, Banker aus Frankfurt, der nach einem Termin in der Region einen Abstecher zu Kohls Grab gemacht hat. Sein 49-jähriger Kollege Kristian Mainert nickt. Die beiden Anzugträger sind auf der Durchreise. Auch sie erinnern sich lieber an die Sternstunden von Kohls Regentschaft.

Mit Sohn Walter im Sommer 1973 im Garten des Familienhauses in Ludwigshafen-Oggersheim. (Bild: Sven Simon / Dpa / Picture Alliance)

Mit Sohn Walter im Sommer 1973 im Garten des Familienhauses in Ludwigshafen-Oggersheim. (Bild: Sven Simon / Dpa / Picture Alliance)

Die Kritik an Maike Kohl-Richter vernimmt man in Deutschland allerorten. Sei es bei den Nachbarn in Oggersheim, sei es in den deutschen Medien oder sei es hier am Grab. Kohl liegt in der Nähe von Kirchengrössen: verstorbenen Domdekanen und ­Domkapitularen von Speyer – statt bei ­seinen Verwandten.

Sein Grab ist als einziges nicht zur Kirche ausgerichtet, sondern zum – vielleicht ist das ein Zeichen – Adenauerpark. Konrad Adenauer, der erste Kanzler der Bundesrepublik, war Kohls grosses Vorbild, er wurde sogar oft als «Enkel Adenauers» betitelt. Kohl selbst sprach immer vom «alten Konrad». Aber die ­Verehrung eines Enkels steht immer hinter der des Grossvaters zurück. Die Liebe der Deutschen zu Ade- nauer – sie blieb und bleibt Helmut Kohl verwehrt.

Aber Anerkennung – die sollte Kohl noch bekommen. Die meisten Deutschen sehen in Kohl den Kanzler, der die Wiedervereinigung errungen hat. Auch wenn man diese Sichtweise infrage stellen kann, denn ohne die Staatsmänner George Bush und Michail Gorbatschow wäre «die Wende» unmöglich gewesen, ist Kohl eben erst als «Kanzler der Einheit» zu einem Säulenheiligen mutiert.

Viel bedeutsamer als seine Rolle bei der Einheit sind Kohls Verdienste rund um das Vorantreiben der ­europäischen Einheit und der Einführung des Euro. Kohl und Mitterrand waren die Macher in diesem Prozess. Der «schwarze Riese aus der Pfalz» Kohl und der geschichtsbewusste französische Präsident brachten Europa voran wie der leistungsstarke Motor eine deutsche Luxuskarosse. Kohl unterhielt auch eine gute ­Beziehung zur Schweiz, intensiver als alle anderen deutschen Kanzler, und wollte den Nachbarn in die EU und in die Währungsunion holen – erfolglos.

Aber das Bild, das neben dem «Händchenhalten» mit Mitterrand von Kohl bleibt, ist das eines starr dreinblickenden Kanzlers vor dem Berliner Reichstag, umgeben vom schwarz-rot-goldenen Fahnenmeer nach der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990.

Eklat mit Kohl-Fan

Es ist jetzt früher Nachmittag, die Sonne scheint auf das Grab, und es kommen viele Menschen vorbei; sie machen Bilder, drehen Videos oder richten einfach nur den Blick auf das Holzkreuz. Einer der «Zaungäste» sagt, Kohl sei «ein Arschloch» gewesen, weil er die Beamtenbezüge in all seinen Amtszeiten nie erhöht habe. Daraufhin kommt es fast zum Eklat mit einem anwesenden Kohl-Fan. Die Männer beschimpfen sich kurz und heftig, rangeln mit Worten. Der Verehrer des Kanzlers räumt dann zuerst das Feld.

So wie Kohl irgendwann das Feld räumen musste, um nicht zu sagen: aus dem Amt geboxt wurde. Als er 1998 dem künftigen Bundeskanzler Gerhard Schröder zu dessen Wahlsieg gratulierte, sah er aus wie ein gebrochener Mann. «Was hat er eigentlich geleistet?», fragte Kohl in einem «Focus»-Interview noch vor der Wahl, auf Schröder angesprochen. Er selbst hatte nicht registriert, wie Kohl-müde Deutschland geworden war, klebte am Amt wie eine Briefmarke auf dem Couvert. Die Briefmarke war all die Jahre dieselbe geblieben, das Couvert hatte sich verändert.

Während Kohl als Konservativer Werte bewahren wollte wie die Ehe zwischen Mann und Frau oder die vollends vom Staat finanzierte Rente, hatte sich die Welt längst weitergedreht. Schröder sollte in seinen sieben Jahren als Bundeskanzler vieles verändern, was Kohl hatte zementieren wollen.

Aber gebrochen hat Kohl nicht seine Abwahl als Kanzler, die irgendwann unvermeidlich war. Die Parteispenden-Affäre der CDU im Jahr 1999 vielmehr war es, die sich Kohl wohl gern erspart hätte. Schwarze Kassen und dubiose Geldquellen, mit denen die Partei ihren Haushalt fütterte, abgewickelt über Schweizer Schattenkonten und eine versteckte Liechtensteiner Stiftung.

Ein streitbarer Politiker, für einmal versöhnlich: Kohl und Mitterrand bei den Gräbern von Verdun im September 1984. (Bild: Wolfgang Eilmes / Keystone)

Ein streitbarer Politiker, für einmal versöhnlich: Kohl und Mitterrand bei den Gräbern von Verdun im September 1984. (Bild: Wolfgang Eilmes / Keystone)

Kohl wollte die Namen der Spender nicht nennen. «Die bitterste Stunde, das waren in Wirklichkeit Wochen, in denen Kohl sich heftiger Kritik ausgesetzt sah, weil er sein Ehrenwort über das Gesetz stellte und den Namen der mutmasslich illegalen Spender nicht verraten wollte, mit deren Hilfe die CDU dubiose schwarze Kassen gefüllt hatte», schrieb die «Zeit» nach Kohls Tod.

Am Ende verloren alle: die CDU an Geld und Kredit, die verärgerten Steuerzahler an Vertrauen in die Politik, Helmut Kohl an einer Vielzahl von Helmut-Kohl-Fans. Gewonnen hat nur Angela Merkel, die den personellen Schnitt in der CDU nach Kohl für sich nutzte.

Das grösste Thema unter den Zaungästen am Grab bleiben die «Sicherheitsmassnahmen», vor allem die Kamera, die Bilder werden zehn Tage gespeichert und von einem privaten Sicherheitsdienst überwacht, auf ­Kosten der Witwe Maike Kohl-Richter. Durch zwei Schilder ist zudem genau festgelegt, wo Grablichter und Blumen vor dem Zaun abgelegt werden dürfen.

«Wir setzen Fussstreifen rund um das Grab ein», sagt Stephan Weber, Dienststellenleiter der Polizeiinspektion Speyer. Kohl hat sozusagen ­Personenschützer bis über seinen Tod hinaus. Aber es habe bisher keine «unschönen Vorfälle» gegeben, versichert Weber.

«Im Blick auf die Situation hat sich das Domkapitel entschlossen, die Videoüberwachung zu dulden.»

Glücklich mit der Situation ist auch das katholische Bistum Speyer nicht: «Eine Genehmigung für die Anbringung der Videokamera liegt nicht vor. Im Blick auf die besondere Situation und aus Respekt vor der Trauer der Witwe hat sich das Domkapitel jedoch entschlossen, die Videoüberwachung vorübergehend zu dulden, jedoch nur so lange, bis das Grabmal errichtet und die Grabstätte damit fertiggestellt ist», schreibt Generalvikar Franz Jung in einer E-Mail.

Warum sollte es bei Kohl anders sein: Man lernt viel über einen Mann bei der Betrachtung der Frauen, die er liebte. Kohl wollte Gehorsam – im Amt genauso wie privat. Er stand an erster Stelle, immer. Was man über die Liebe zwischen Helmut und Hannelore Kohl weiss: dass Frau Kohl 15 war, als sie ihn kennenlernte. Dass sie sich für ihren Mann aufopferte. Und dass sie oft allein war, als Kanzlergattin, als Ehefrau, als Mutter. Am Ende stand ihr Freitod, der 2001 ganz Deutschland erschütterte.

Körper verfiel

Was man über die Liebe zwischen Helmut Kohl und Maike Kohl-Richter weiss: dass Frau Kohl-Richter 30 war, als sie ihn kennenlernte. Dass sie sich für ihren Mann aufopferte. Und dass sie ihn pflegte, als er in den Rollstuhl gebannt war, kaum noch sprechen konnte und der Körper wie im Zeitraffer verfiel.

Es heisst, dass Frau Kohl-Richter schon vor ihrer Ehe ihre Wände zu Hause mit Kohl-Fotos vollklebte. Dass sie später die Kleidung der verstorbenen Hannelore Kohl austrug. Sie verehrte Helmut Kohl. Sie verehrt ihn bis heute. Und ja, es sieht alles danach aus, als wolle sie ihn, tot oder ­lebendig, ganz für sich allein haben. Darüber sprechen will sie aber nicht, sie lehnt Interviewanfragen in der Regel ab.

Sie soll die Kleider seiner ersten Frau ausgetragen haben: Kohl mit seiner zweiten Frau Maike Kohl-Richter im September 2009. (Bild: David Ebener / DPA)

Sie soll die Kleider seiner ersten Frau ausgetragen haben: Kohl mit seiner zweiten Frau Maike Kohl-Richter im September 2009. (Bild: David Ebener / DPA)

Fast sieht Kohls Grabmal derzeit noch aus wie ein Sandkasten mit ­seiner Abdeckung aus Kiefernholz, die Katzen fernhalten soll. Das wird wohl so bleiben, bis der, ganz sicher gewichtige, Grabstein gesetzt ist.

Und passend zu diesem Bild übt der verstorbene Altkanzler auch eine ­Faszination auf Kinder aus. Der fünfjährige Vincent und seine Schwester Laetitia, drei, pressen nachmittags ihre kleinen Köpfe gegen den Zaun vor Kohls letzter Ruhestätte. «Natürlich weiss ich, wer das ist, Helmut Kohl, ein wichtiger Mann», sagt Vincent. Er hat mit seiner Familie zusammen die Trauerfeier für Kohl im Fernsehen angeschaut. «Danach haben wir darüber gesprochen, um wen es dabei ging und was alles wichtig ist», sagt Constanze Goedecke, 34, die Mutter.

Dann geht sie mit ihren Kindern auf den nahe gelegenen Spielplatz im Adenauerpark. Zumindest dort ist von Kohls Präsenz dann wirklich nichts mehr zu spüren.

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