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Egerkingen? Komm, hier biegen wir mal ab!

Die ganze Schweiz fährt an Egerkingen vorbei. Wir nahmen die Ausfahrt – und sind an einem Ort gelandet, der über das Land mehr zu erzählen hat als so manches Wahrzeichen.

Katharina Bracher (Text) und Pascal Mora (Fotos) 10 min
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Einheimische ahnen den Stau bereits, bevor er entsteht: Autobahnzubringer in Egerkingen. (10. Oktober 2017)

Einheimische ahnen den Stau bereits, bevor er entsteht: Autobahnzubringer in Egerkingen. (10. Oktober 2017)

Halb zehn Uhr abends in Egerkingen im Kanton Solothurn. Wir stehen an der Ecke zur St.-Martins-Kirche. «Warum das Ding?», fragt Aida und deutet auf meine Stirnlampe. Es werde ja ohnehin nie richtig dunkel hier. Die Lichter der nahen Industrie gingen Tag und Nacht nie aus. Das alte Dorfzentrum liegt menschenleer, von weitem hört man den Verkehr über das Autobahnkreuz rauschen. Wir treffen uns, um gemeinsam eine kleine Nachtwanderung in die Höhe zu unternehmen.

Der Spaziergang ist Aidas kleine Freiheit, wenn ihre Eltern in Bosnien sind. Der Bruder ist vor ein paar Monaten ausgezogen, hat eine eigene Familie gegründet. Am liebsten ist sie spätabends unterwegs, wenn sie ihre Hausaufgaben fürs Gymnasium erledigt hat. Egal wohin, Hauptsache zu Fuss. Eine gemeinsame Bekannte hatte den Kontakt vermittelt, wir wären uns wohl nie zufällig begegnet. Aida ist, wie sie selbst sagt, «der häusliche Typ». Wir trafen uns gegen Mittag bei der Kirche St.Martin. Sie sagte «Grüessech», und wir standen zwischen stillstehenden Baumaschinen im Herbstlicht. Ziellos plaudernd vermieden wir die wesentliche Frage, den Grund unseres Treffens: «Wie ist es so, in Egerkingen?»

Wir wollen das an diesem Abend nachholen. Doch auch jetzt, als wir den steilen Weg in Richtung Wald unter die Füsse nehmen, mäandriert das Gespräch von diesem zu jenem, in grossen Bögen am Wesentlichen vorbei. Aida hat nie an einem anderen Ort in der Schweiz gelebt, sie ist hier geboren. Es scheint ihr unangenehm, über die Egerkinger, also auch über sich selbst, zu reden.

Wo ist hier der Wasserfall?

Egerkingen war jahrhundertelang ein armes Bauerndorf mit nicht besonders fruchtbarem Boden, um die Dünnern herum war die Erde stets überflutet. In den 1930ern wurde der Flusslauf korrigiert, aus dem Sumpf entstanden neues Kulturland und Siedlungsgebiet unterhalb des Dorfkerns.

Entscheidend für das Schicksal Egerkingens war der Bau der Autobahn in den 1960er Jahren. Das riesige Autobahnkreuz der A1 und A2 ist heute so etwas wie der Ground Zero des Schweizer Mittellandes. Hier legte der Verkehr, bis heute der einflussreichste Raumplaner der Schweiz, den Grundstein zu einer neuen Art Siedlungsgebiet: der Agglomeration. Doch die Autobahn hat nicht nur Landschaft und Wirtschaft der Region verändert, sondern auch ihre Bewohner und deren Mentalität.

«Nach meinen ersten Tagen in Egerkingen fragte ich einen Nachbarn: ‹Du, wo ist eigentlich dieser Wasserfall, den man vor allem nachts hört?›» Johanna Bartholdi, genannt Hanni, lacht laut. In den 1980er Jahren war sie mit ihrem Mann als Gerantenpaar des berühmten ersten Motels der Schweiz nach Egerkingen gezogen. Dass sie den Verkehrslärm anfangs für einen Wasserfall hielt, ist typisch für Bartholdis unerschütterlichen Optimismus.

Gesichtslos wie Egerkingen auf Besucher auch wirken mag: Wenn der Ort so etwas wie Charakter ausstrahlt, dann allein dank dieser Frau, die als Gemeindepräsidentin gleich mehrmals mit spektakulären Aktionen in der ganzen Schweiz aufgefallen ist. «In den ersten Monaten nach meiner Wahl im Jahr 2009 war ich überwältigt von den horrenden Ausgaben der Gemeinde», erzählt Bartholdi. «Auf der anderen Seite sah ich, dass wir jedes Jahr um die 150 000 Franken Steuerschulden abschreiben müssen. Das sind immerhin zwei Prozent unseres Steueraufkommens.»

Bartholdi schlug dem Gemeinderat vor, notorische Steuerschuldner öffentlich zu outen. Zuvor schaute sie sich die finanziellen Verhältnisse der siebzig säumigen Steuerzahler genau an, filterte Sozialhilfebezüger, Alleinerziehende und Familien mit sehr tiefem Einkommen heraus. Übrig blieben sechs Haushaltungen, die während mindestens dreier Jahre ihre Steuern nicht bezahlt hatten, obwohl sie finanziell dazu in der Lage gewesen wären. Ihre Namen wurden an der Gemeindeversammlung genannt, nachdem den Betroffenen eine Reaktionszeit eingeräumt worden war.

«Wo ist denn hier der Wasserfall?» Die Gemeindepräsidentin von Egerkingen führte in den 1980er Jahren das berühmte Motel, heute «Comfort Inn». Sie hielt den Verkehrslärm anfangs für das Tosen eines Wasserfalls.

«Wo ist denn hier der Wasserfall?» Die Gemeindepräsidentin von Egerkingen führte in den 1980er Jahren das berühmte Motel, heute «Comfort Inn». Sie hielt den Verkehrslärm anfangs für das Tosen eines Wasserfalls.

Wegen dieser Geschichte ist Johanna Bartholdi heute eine verurteilte Straftäterin. Die Solothurner Staatsanwaltschaft hat ihr per Strafbefehl eine bedingte Geldstrafe von 27 000 Franken wegen mehrfacher Amtsgeheimnisverletzung aufgebrummt – die Bewährungszeit dauerte zwei Jahre und ist letztes Jahr abgelaufen.

Bartholdi ist 66 Jahre alt und noch lange nicht fertig mit der Politik. Sie will ihre Gemeinde umgestalten. Am liebsten würde sie den Branchenmix ändern. «Wir werden immer als Lagerhaus der Nation dargestellt. Das ärgert mich, denn die grössten Logistikbetriebe stehen eigentlich auf Härkinger Boden.» Bloss etwa 18 Prozent des Steueraufkommens von Egerkingen stammten von Unternehmen, meistens sind es Betriebe, die nicht direkt Logistik zum Kerngeschäft haben, der Branche jedoch zudienen. Sie sähe es gerne, wenn sie in Egerkingen mehr hochspezialisierte Unternehmen ansiedeln könnte. Am liebsten aus der IT-Branche.

Doch dass Egerkingen ein Silicon Valley wird, ist unwahrscheinlich. Ein Ingenieurbüro hat diese Frage untersucht. Besonders schwierig werde es, heisst es in dessen Studie, Fachkräfte nach Egerkingen zu locken. Deren typische Wohnorte liegen zu weit weg – nämlich nahe den städtischen Zentren. Um die gutsituierten Chefs von IT-Betrieben auch privat anzusiedeln, fehlt es der Region zudem an Bauland in attraktiven Lagen.

«Nume no Usländer»

Zwar wird auch in Egerkingen wie wild gebaut - es sind vorwiegend Mehrfamilienhäuser in der Nähe von Autobahn und Bahnlinie. Über achtzig Wohnungen oder Häuser stehen leer. Die Leerwohnungsziffer beträgt damit 5,7 Prozent, was deutlich über dem Solothurner Durchschnitt von 2,9 Prozent liegt. Ein Grossteil der leerstehenden Neubauten wurde von Pensionskassen erstellt. Für die ist es günstiger, nur einen Bruchteil der Wohnungen zu vermieten, als Negativzinsen zu bezahlen.

Doch Bartholdi kämpft unbeirrt weiterhin darum, das Gesicht Egerkingens und der Region zu verändern. Zusammen mit den anderen Gemeindepräsidenten des Gäus will sie eine Wirtschaftsregion gründen, die mit attraktiven Steuersätzen und einem vereinfachten Zonenplan die Ansiedelung von Unternehmen auch ausserhalb der Logistikbranche ankurbeln soll.

«Oje, wie soll denn das gehen?» Auf dem Friedhof steht eine Egerkingerin und schaut Richtung Autobahn, die bald schon weiter ausgebaut werden soll. Die Frau findet es nicht gut, noch mehr Leute hierherzubringen, weil die Neuzuzüger seit Jahren «nume no Usländer» seien. Vor allem aus Ex-Jugoslawien. Als sie erfährt, dass sie mit einer Journalistin spricht, will sie lieber nicht mehr preisgeben, wie sie heisst. Nur so viel zu ihrem Nachnamen: «Wie ich heissen hier viele.»

Vor der Kirche St. Martin soll eine Begegnungszone entstehen. Der alte Dorfkern Egerkingens ist meistens leer, Geschäfte mussten schliessen.

Vor der Kirche St. Martin soll eine Begegnungszone entstehen. Der alte Dorfkern Egerkingens ist meistens leer, Geschäfte mussten schliessen.

Doch nicht nur ihr Name ist typisch Egerkinger, auch ihre politische Einstellung: Bei den letzten Kantonsratswahlen hat sie die SVP gewählt. «Die ehrlichsten Rezepte, die ehrlichste Sprache.» Selbstbestimmungsinitiative, Verhüllungsverbot, Kündigung der Personenfreizügigkeit: Sie ist ganz auf Linie der Volkspartei. Nur das Problem mit den Wirtschaftsflüchtlingen, das würde sie aggressiver angehen.

Damit steht die Frau weiter rechts als der Gemeinderat von Egerkingen, wo zur Mehrheit Freisinnige sitzen, die rechts aussen politisieren. Der erneute Ausbau der Autobahn, auf sechs Spuren, sagt die Frau auf dem Friedhof, werde noch mehr Ausländer herlocken. «Die mögen das. Dann sind sie schnell weg von hier, um ihre Verwandten zu besuchen.» Sie kenne die Nachbarn nicht mehr. In die Häuser von alten Egerkingern seien Ausländer gezogen, die sich abschotteten vom Dorfleben. Nein, den Lärm der Autobahn empfinde sie nicht als störend. Als Kind habe sie sich sogar gefreut, als der Bau begann. Das ganze Dorf habe den Bau des Autobahnkreuzes als etwas Positives gesehen. Doch das Dorfleben habe sich sehr verändert. «Man würde nicht denken, dass wir hier auf dem Land wohnen.»

Die Sache mit dem Pfarrer

Agglomeritin würde ETH-Stadtforscher Christian Schmid die Frau vom Friedhof nennen. Agglomeriten halten an der Identität als Dorfbewohner fest, wähnen sich in der dörflichen Idylle im Grünen. Sie stehen den Städtern misstrauisch bis ablehnend gegenüber.

Dabei führen Agglomeriten ein urbanisiertes Leben, das demjenigen der Bewohner des mittleren Westens in den USA nicht unähnlich ist: Einen grossen Teil des Tages pendelnd im Auto, abends in den eigenen vier Wänden des Einfamilienhauses, das direkt an grossen Verkehrsachsen liegt. Damit leben die Egerkinger urbaner als manch ein Stadtberner, wo viele Quartiere grüner, stiller und pittoresker sind.

Klar, die alten Institutionen des Dorflebens existieren noch: Egerkingen hat eine katholische und eine reformierte Kirchgemeinde. Fast vierzig Vereine hat die Gemeinde registriert, darunter eine Guggenmusik und ein Turnverein. Die Beteiligung am öffentlichen Leben der meisten Egerkinger beschränkt sich aber auf den Besuch im Einkaufszentrum Gäupark, wo sich das eigentliche Dorfleben abspielt. Bewahrt hat sich ein rückwärtsgewandter Geist, der sich zum Beispiel darin zeigt, dass Einheimische im Gespräch hartnäckig auf der Unterscheidung zwischen «Einwohnern» und «Bürgern» bestehen.

Egerkingen war vor langer Zeit sozialdemokratisches Stammland. Das war noch vor dem Bau der Autobahn, als viele Egerkinger mit dem Velo zur Arbeit in die Industrie der Region fuhren, etwa zur zwanzig Kilometer entfernten Schuhfabrik Bally in Schönenwerd. Am Abend kehrten sie heim und melkten die Kühe, mit der Landwirtschaft versorgten sie sich und ihre Familie. Die zunehmende Urbanisierung, das Bevölkerungswachstum und vor allem der Zuzug von ausländischen Staatsangehörigen veränderten auch die politische Mentalität, ebenso wie in weiten Teilen der Schweiz.

«Blanker Hass schlug mir entgegen». Die Gemeindepräsidentin informierte die Bevölkerung vor ein paar Jahren über das temporäre Durchgangszentrum für Asylsuchende in der leerstehenden Klinik Fridau abseits von Egerkingen.

«Blanker Hass schlug mir entgegen». Die Gemeindepräsidentin informierte die Bevölkerung vor ein paar Jahren über das temporäre Durchgangszentrum für Asylsuchende in der leerstehenden Klinik Fridau abseits von Egerkingen.

Mit diesem Wandel befassen sich Politikwissenschafter wie Daniel Kübler. «Einwohner ehemals ländlicher Gemeinden, die mit zunehmender Urbanisierung konfrontiert sind, haben besonders häufig nationalkonservative Präferenzen», stellte er 2010 in einer Studie fest. Das Phänomen erklärte Kübler mit der «Veränderung der Lebenswelt». Egerkingens Bevölkerung hat sich zwischen 1970 und 2016 verdreifacht auf 3500 Einwohner. Der Ausländeranteil hat sich in der Zeit versechsfacht.

Heute ist etwa jeder dritte Einwohner ein ausländischer Staatsangehöriger. Diese Zuwanderung, sagt Kübler, werde als Problem wahrgenommen. Man erlebe den Integrationsprozess besonders nah und befinde sich in direkter Konkurrenz zu den zugewanderten Arbeitskräften. Die Forschung nennt diesen Effekt Metropolisierung der Politik. Nachgewiesen ist er inzwischen in ganz Europa. Kübler prognostizierte damals, dass sich diese Entwicklung in der Schweiz noch verstärken werde. Die Politik werde sich noch stärker «vervorstädtern».

In Egerkingen gibt es dafür so manche Anzeichen: die Sache mit dem kenyanischen Pfarrer etwa. Die meisten Kirchgänger riefen für Beerdigungen, Taufen und Hochzeiten auch noch beim alten Pfarrer an, als dieser längst pensioniert war. Sie wollten nicht zum neuen Pfarrer. Irgendwann allerdings bestand der Pensionär auf seinem Ruhestand.

Oder damals, während der Flüchtlingskrise vor drei Jahren. Da war Gemeindepräsidentin Bartholdi stinksauer auf die Egerkinger. Es ging darum, die abgeschieden am Hang gelegene Klinik Fridau temporär dem Kanton zu überlassen, um zumeist syrische Asylbewerber unterzubringen. Es war um die Weihnachtszeit, Egerkingen hatte gerade die Aussendfeier begangen. Ein katholischer Brauch, bei dem Kerzen, Laternen und sogenannte Iffelen mit Bibelzitaten durchs Dorf getragen werden. Bartholdi schlug an der Infoveranstaltung, an der über die Einrichtung des Durchgangsasylzentrums informiert wurde, der blanke Hass entgegen.

«Einige, die an der Aussendfeier Iffelen getragen hatten, die zur Nächstenliebe aufrufen, schrien Zetermordio gegen die Asylbewerber», erzählt Bartholdi. Dabei habe sie im Voraus gebeten, sachlich zu bleiben. Bartholdi drehte jedem Einzelnen, der rassistisch ausfällig wurde, das Mikrofon ab. Dabei wirkte sie stoischer, als sie es war. In der Nacht nach der Veranstaltung habe sie sich zum ersten Mal gefragt, ob sie einer solchen Gemeinde noch vorstehen wolle.

Ein Leben wie im Mittleren Westen der USA: Der Gäu-Park ist heute der Ort, wo Einheimische sich noch über den Weg laufen, weil sie nicht im Auto sitzen. (Egerkingen, 10. Oktober 2017)

Ein Leben wie im Mittleren Westen der USA: Der Gäu-Park ist heute der Ort, wo Einheimische sich noch über den Weg laufen, weil sie nicht im Auto sitzen. (Egerkingen, 10. Oktober 2017)

Und dann gibt es noch das Egerkinger Komitee, von dem sich der Gemeinderat Egerkingen offiziell distanziert hat. Die Gruppierung um den Solothurner SVP-Nationalrat Walter Wobmann hat die Anti-Minarett-Initiative und jüngst das Volksbegehren zum Burkaverbot lanciert. Wobmann wohnt in Gretzenbach nahe Olten, und vermutlich stammt die Idee von ihm, sich in Egerkingen zu Sitzungen zu treffen. Denn Egerkingen ist in der ganzen Region als Konferenzort bekannt. Hotels wie das «Mövenpick» am Hang über der A2 haben sich auf Konferenz-Publikum spezialisiert.

Und so kommt es, dass die einflussreichste xenophobe Bewegung der jüngeren Schweizer Geschichte in Bartholdis ehemaliger Arbeitsstätte ihren Anfang nahm: dem «Comfort Inn», von den Einheimischen immer noch Motel genannt. Hier wurde in den 1980er Jahren die SRF-Doku-Soap «Motel» gedreht, gegen die der «Blick» während Monaten eine Kampagne fuhr. Zu schwermütig, zu langweilig war dem Boulevardblatt das Bild, das die Sendung von der Schweizer Gesellschaft zeichnete.

Zierkies gegen Unkraut

Im Motel wird noch heute Politik gemacht. Zweimal täglich sitzen dieselben Herrschaften am runden Tisch ganz hinten im Hotelrestaurant, das vom italienischen Unternehmen Autogrill geführt wird. An diesem Morgen sind es vier Männer. Nicht alle seien Egerkinger, sagen sie, Bürger ist eigentlich nur einer: Bruno von Arx, ein pensionierter Bankangestellter.

«Leute, die sagen, sie hörten den Verkehrslärm nicht, sind taub», sagt von Arx. Während er nach Autobahnbildern sucht, die er regelmässig vom Aussichtspunkt Höchi Flueh aus schiesst, entspinnt sich eine hitzige Debatte über Raumplanung in der Region. Wortführer ist kein Geringerer als Rolf Büttiker, Alt-FDP-Nationalrat und edler Verteidiger der original Cervelat-Wurst-Pelle.

Er habe, sagt er, schon sehr früh vor der Verkehrsüberlastung der Region gewarnt. Büttiker stammt aus der Nachbargemeinde, findet aber, dass die Leute der Region die Identität teilten: Alle seien Gäuer. Und als Gäuer weiss man viel über Verkehr. Wann auf der Belchenrampe Stau ist und wo die Lastwagenchauffeure der Migros Umwege durch die Dörfer fahren, um Schwerverkehrsabgaben zu reduzieren. Man erahnt den Stau, bevor er entsteht. Von Arx hat endlich die Aufnahme gefunden. Er zeigt sie in der Runde. Man nickt. «Mhmm, Stau.»

Aida, die Muslimin, kennt die Leute am Motel-Stammtisch nicht, Kontakt zu Einheimischen hat sie kaum. Aber sie findet, dass sie vermutlich gar nicht so anders seien als ihre eigene Familie. «Die wollen auch, dass alles so bleibt, wie es vor dem Krieg war», sagt sie. Man müsse sich anpassen, dann werde man in Ruhe gelassen. Als vor ein paar Jahren Nachbarinnen vor der Tür standen und sich über die Unkräuter im Garten der Familie beschwerten, weil sie über die benachbarten Grundstücke «aussamten», reagierte Aidas Familie so, wie sie annahm, dass es den Egerkingern gefallen würde: Sie schüttete 300 Kilogramm Zierkies in den Garten.


Schwer belastet

In Spitzenzeiten passieren stündlich 5505 Fahrzeuge das Autobahnkreuz in Egerkingen. Am Wochenende sind es weniger. Zum Vergleich: Zuchwil, ein Vorort von Solothurn mit doppelt so vielen Einwohnern, hat Belastungsspitzen von 3587 Fahrzeugen. Die Messwerte stammen von der automatischen Strassenverkehrszählung des Bundes und beziehen sich auf Werktage im Jahr 2016. Der Anteil an Schwerverkehr ist in Egerkingen besonders hoch. In der Rangliste der am stärksten von Güterverkehr belasteten Schweizer Strassen liegt die Verzweigung Egerkingen auf Platz 3 vor dem Bareggtunnel in Baden und der Hard in Muttenz bei Basel. (brk.)