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Populistischer Milliardär erobert Tschechien

Mit EU-Kritik und Nationalismus könnte Andrej Babis mit seiner Ano-Partei die Wahlen gewinnen.

Paul Flückiger, Prag 4 min
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Milliardär Andrej Babis könnte bald Ministerpräsident Tschechiens werden. (Prag, 28. 9.2017) (Bild: Martin Divisek / EPA)

Milliardär Andrej Babis könnte bald Ministerpräsident Tschechiens werden. (Prag, 28. 9.2017) (Bild: Martin Divisek / EPA)

Von aussen sieht man fast nichts. Das Bürogebäude am Stadtrand von Prag ist gesichtslos, umgeben von Autohändlern und einer Privatklinik. Nur oben auf dem Dach des grauen Bürogebäudes steht ein leuchtender Schriftzug: «Ano, bude lipet» (Ja, es wird besser). Hinter diesen grauen Mauern verbirgt sich das Zentrum einer populistischen Partei, die Tschechien neu erfinden will.

Ano heisst nicht nur Ja auf Tschechisch, sondern ist die Abkürzung für «Aktion unzufriedener Bürger». Die Partei ist laut Umfragen auf dem besten Weg, die Parlamentswahlen von nächster Woche zu gewinnen. Damit hätte nach der Slowakei, Ungarn und Polen auch Tschechien eine populistische Regierung.

Gegen die EU wettern

So grau ihre Parteizentrale auch ist, so bunt ist ihr Kopf und Gründer: Andrej Babis. Der Mann ist Milliardär und laut dem Wirtschaftsmagazin «Forbes» die «tschechische Version von Donald Trump». Sein märchenhafter Aufstieg gelang ihm mit dem Kauf des Agrochemiekonzerns Agrofert Anfang der neunziger Jahre. Zudem besitzt er das einflussreiche Medienunternehmen Mafra, weshalb ihn einige auch «Babisconi» nennen, in Anlehnung an den italienischen Medienzaren Berlusconi.

Bis im Mai war er noch Finanzminister. Doch dann musste er wegen laufender Strafverfahren zurücktreten. Er soll EU-Gelder erschlichen und Steuern hinterzogen haben. Die Vorwürfe dürften mit ein Grund sein, weshalb Journalisten derzeit keinen Zugang zur Parteizentrale bekommen.

Der Oligarch kommt an in Tschechien. Babis gewinnt derzeit die meisten Stimmen, indem er gegen die EU poltert. Er plädiert zwar nicht für den Austritt, doch er prangert die Bürokratie in Brüssel an. Auch wettert er gegen die Flüchtlingspolitik der EU, die Tschechien dazu zwingen möchte, 2679 Flüchtlinge aufzunehmen.

Babis verspricht, das Land zu führen wie eine Firma. Auch tönt aus seinem Parteiprogramm viel neues Selbstvertrauen. Tschechien soll nicht mehr bloss das Billiglohnland Westeuropas sein und von ausländischen Investoren ausgenutzt werden. Das Land soll vielmehr eine eigene IT-Macht werden, mit grosser Wertschöpfung. «Tschechien first» könnte der Ano-Slogan lauten.

Robuste Wirtschaft

Tschechien geht es wirtschaftlich gut. Das Land hat die niedrigste Arbeitslosigkeit in der EU, und die Wirtschaft wächst robust. Doch davon profitieren nicht alle. Im Prager Stadtteil Chodovec, der von Wohnblocks aus sozialistischer Zeiten geprägt ist, zeigt sich das klar. Zwischen trostlosen Plattenbauten locken abends nur die Spielautomaten in der «Sport Bar». Der auf eine Ostversion von Wildwest getrimmte «Saloon Monica» mit seinen vergitterten Fenstern musste vor ein paar Monaten dichtmachen.

«Das kommt davon, wenn sich Politiker, die vom wirklichen Leben keine Ahnung haben, um unser Land kümmern», sagt Milan, der mit seinem Töchterchen zum nahen von Agrofert gespendeten Spielplatz geht. Der junge Familienvater will am nächsten Freitag für Ano einlegen. Auf Babis’ Liste kandidierten erfolgreiche Geschäftsleute, begründet er seine Wahl. Die müssten sich nicht mittels Politik bereichern. «Bis jetzt habe ich immer Konservative gewählt, doch alle haben versagt», klagt Milan. Dass die Ano Tschechien aus der EU führen könnte, hält der Ingenieur für unmöglich.

«Babis ist im Gegensatz zu Viktor Orbán in Ungarn oder Jaroslaw Kaczynski in Polen kein Ideologe», sagt der Politologe Jiri Pehe. «Er hält jeden Morgen den Finger in die Luft, schaut, woher der Wind weht, und sagt etwas Neues.» Ano sei eine Art Einmann-Sekte.

Die EU-Schelte ist nicht neu. Politische Beobachter wie Pehe verweisen gerne auf die Rolle der Staatspräsidenten Vaclav Klaus und den heute amtierenden Milos Zeman von den Sozialdemokraten, die beide immer wieder gegen Brüssel vom Leder ziehen. Die Kritik von hoher Stelle wirkt. Heute sind offenbar nur 25 Prozent der Tschechen für einen Verbleib in der EU, und dies, obwohl die EU mit ihrem Strukturhilfefonds viele Investitionen mitfinanziert hat.

Einmann-Sekte

Der prorussische Linkspopulist Zeman als politischer Freund von Babis, dürfte durchaus bereit sein, diesen trotz dem laufenden Strafverfahren mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Allerdings machen die Umfragen auch deutlich, dass Babis’ Ano auf Koalitionspartner angewiesen ist. Dabei kann Babis auf eine Reihe weiterer Protestparteien von der linksextremen KP über die Piratenpartei bis zur rechtsextremen SPD zählen.

«Eine Mehrheit à la Orbán und Kaczynski wird Babis nicht erreichen», beruhigt Jiri Pehe. Das Risiko, dass in Tschechien ähnlich wie in Polen und Ungarn die Rechtsstaatlichkeit mit Füssen getreten wird, sieht er nicht.

Jan Machacek ist zwar nicht Mitglied bei der Ano, doch er gehört mit seinem Institut für Politik und Gesellschaft in Prag zum verlängerten Arm der Partei. Machacek bezeichnet die Betrugsvorwürfe gegen Babis denn auch als politische Hexenjagd. Tschechien habe seinen wirtschaftlichen Aufschwung unter Babis als Finanzminister erlebt, lobt er. «Je mehr die Elite auf Babis eindrischt, desto stärker wird er.»

Auch Tschechiens Präsident Milosz Zeman von der Sozialdemokratischen Partei (CSSD) zieht gerne gegen die EU vom Leder. (Bild: Patrick Seeger / EPA)

Auch Tschechiens Präsident Milosz Zeman von der Sozialdemokratischen Partei (CSSD) zieht gerne gegen die EU vom Leder. (Bild: Patrick Seeger / EPA)

Babis sei kein Populist, sondern ein Pragmatiker. Er sei zudem Liberaler und habe keineswegs vor, sich dem Populisten Kaczynski in Polen als Freund anzudienen, sagt Machacek. Die Rechnung sei einfach: «Das Volk will die EU-Schelte hören, und Babis will die Wahlen gewinnen.»

Die Kleinstadt Kralupy nad Vltavou rund 30 Kilometer nördlich von Prag war einst ein graues Erdölraffinerienest an der Moldau. Dank EU-Infrastrukturhilfen putzte sich die Gemeinde heraus, die Altstadt ist nun schmuck, es gibt Velowege, ein Schwimmbad. Stadtsprecher Als Levy glaubt deshalb, dass hier die Ano nicht das Rennen macht.

Frührentner Joe sieht das anders: «Ich brauche die EU nicht.» Kurz nach der Wende von 1989 war er für kurze Zeit Mitbesitzer einer Fabrik in Kralupy. «Ich mag die Stadt, doch früher war vieles besser.» Der Rentner Joe schwankt vor der Wahl nächste Woche noch zwischen den Rechtsextremen und Ano. «Babis ist mir etwas zu reich, aber er ist ein guter Kerl.»

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