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So wird das Programmieren zur fünften Landessprache

Zwei ETH-Professoren aus Zürich und Lausanne sorgen dafür, dass unsere Kinder endlich lernen, wie man Computer programmiert.

Patrick Aebischer (Gastkolumnist) 3 min
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(Illustration: Gabi Kopp)

(Illustration: Gabi Kopp)

Während sich mehrere Deutschschweizer Kantone darüber streiten, ob Englisch an den Schulen vor Französisch unterrichtet werden sollte, taucht die Frage der Programmiersprachen in der öffentlichen Debatte seltsamerweise nicht einmal in der Westschweiz auf. An den Schulen werden höchstens Programme wie «Word», «Excel» oder «Photoshop» – also kommerzielle Anwendungen der Softwaregiganten – erlernt. Aber darum geht es nicht.

Die echte Herausforderung liegt im Verständnis von Programmierungstools. In einer sich unaufhaltsam digitalisierenden Welt hat das Programmieren mittlerweile denselben Stellenwert wie das Lesen, Schreiben oder Sprechen. Ausserdem lernt man beim Programmieren auf spielerische Weise aus seinen Fehlern und entwickelt Problemlösungsstrategien.

Länder wie Frankreich gehen diesbezüglich vorbildhaft voran und haben den Unterricht in sogenannten digitalen Wissenschaften bereits auf der Primarstufe eingeführt. Auch Israel oder die USA haben diesen Weg eingeschlagen. Die Schweiz hinkt leider hinterher.

Der Westschweizer Lehrplan sieht noch keinen Unterricht in «digitalen Wissenschaften» vor. Im Gegensatz dazu beinhaltet der Lehrplan 21 in der Deutschschweiz auch Unterricht im Bereich Medien und Informatik. Dies hat diverse Kantone dazu bewogen, entsprechende Initiativen zu ergreifen. Und erfreulicherweise hat die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren kürzlich beschlossen, Informatikkurse an allen Gymnasien obligatorisch zu machen - ab 2022. Leider liegt dieses Datum noch in weiter Ferne. Zudem wird die Primarstufe ausser acht gelassen.

Das Schweizer Bildungswesen legt immer noch zu viel Wert auf
das Lernen von Fakten.

Glücklicherweise haben es Initiativen von Lehrkräften der Eidgenössischen Technischen Hochschulen vermocht, einige Primar- und Sekundarlehrkräfte von der Bedeutung des Programmierens für ihre Lernenden zu überzeugen. Professor Juraj Hromkovic von der ETHZ hat für diesen Zweck Lehrmaterial für den Programmierunterricht auf allen Stufen entwickelt und verteilt, auch wenn es im Bereich der Koordination mit den Pädagogischen Hochschulen noch etwas hapert.

Eine weitere lobenswerte Initiative stammt von Professor Francesco Mondada von der EPFL, dem Entwickler des Lernroboters «Thymio». Dieser einfache und sympathische Roboter macht das Programmieren kinderleicht. In Frankreich wird er übrigens bereits an Schulen eingesetzt. Erfahrungen haben gezeigt, dass man mithilfe von Thymio Musik unterrichten, das Verständnis der Kräfte in der Physik oder sogar die Mathematik verständlich machen kann. Dieser innovative Ansatz sollte die Beantwortung der klassischen Frage ermöglichen, welches Fach durch den Programmierunterricht ersetzt werden sollte.

Interessanterweise sind es häufig gerade die Jugendlichen, welche sich am wenigsten an den klassischen Schulaktivitäten beteiligen, die sich durch diesen pädagogischen Ansatz begeistern lassen und ihre Freude am Lernen wiederfinden. Eine weitere gute Nachricht: Thymio hat bereits den Röstigraben überwunden - mehrere Pädagogische Hochschulen, insbesondere in Zürich, Luzern oder St. Gallen, bilden ihre Lehrkräfte mithilfe dieses Tools aus. 600 Primarschulkinder im Kanton Obwalden verwenden Thymio bereits seit Anfang dieses Jahres.

Das Schweizer Bildungswesen legt immer noch zu viel Wert auf das Lernen von Fakten. Das Programmieren aber fördert Kreativität und Reflexion. Seien wir mutig und führen den Programmierunterricht so rasch wie möglich an den Primarschulen ein, damit die Kinder bestmöglich auf die Zukunft vorbereitet sind. Machen wir die Programmiersprache zur fünften Landessprache!

Patrick Aebischer war Präsident der ETH in Lausanne. Übersetzung: Maria Neversil.